DAMALS - das unverselle Bewußtsein
Damals scheint auf den ersten Blick eher ein Stück streng durchkomponierter Prosa denn die Vorlage für ein Spiel auf dem Theater zu sein.
Durchkomponiert im musikalischen Sinn ist es der Form nach. Thematisch sind drei Ebenen durch die ersten drei Buchstaben des Alphabets - ABC - charakterisiert, entsprechend dem Grundschema der Sonate. Die Abfolge ist indes nicht ABC, sondern für die ersten drei Sequenzen: ACB. Die Folge ACB wird zweimal wiederholt, dann erfolgt der Wechsel zu CAB. Bereits der nächste Schritt bringt einen abermaligen Wechsel zu CBA, zweimalige Wiederholung, dann BCA, erneuter Wechsel zu BAC mit dreimaliger Wiederholung. Schluß.
Insgesamt sind es 36 Einzelsequenzen, die durch Dreiergruppen in zwölf Blöcke schematisierbar sind. Und es entsprechen den drei Buchstaben ABC, die in der alphabetischen Reihenfolge niemals auftreten, drei thematische Schwerpunkte: ‘Damals, als du rüberfuhrst das letzte Mal, um zu sehen, ob die Ruine noch da war’ (A) auf der Suche nach der Kindheit ‘Als du reingingst aus dem Regen’ (C) Alter und Einsamkeit ; Auf dem Stein zusammen in der Sonne’ (B) Erinnerung an erste Liebe. Es ist dies auch ein ABC des Lebens. Nach der real ablaufenden Zeit ergibt sich aus der Themenzuordnung die Folge ABC also entsprechend der Chronologie des Lebens. A steht für die Suche nach der verlorenen Kindheit, B Erinnerungen an die erste Liebe, C die 'Wanderjahre und Alter'.
Die Gültigkeit des Zeitkontinuums hat indes keine Gültigkeit fürs Bewusstsein des Ich's. In diesem ist die Linearität von Zeit aufgehoben, ist Gleichzeitigkeit, die nach der Aleatorik der durch Sinnesreize, Assoziationsketten und davon angestoßenen Erinnerungen sich gestaltet. Die Materialität des Bewusstseins entsteht aus Realem, einem Realen oder Faktischen, das sich nach dem Prinzip: Erinnern ist Erfinden (Beckett) zu einem je fürs Subjekt verbindlichen Mikrokosmos fügt.
Proust ist nicht fern, gewiss. Doch Beckett nimmt eine andere Perspektive. Es bedarf nicht der Madeleine, nicht eines Prellsteins, an dem der Held sich stößt, um unmittelbar in die Vergangenheit hineinzustolpern.
Vielmehr gründet die Form einer sich konkreti-sierenden Individualität, daraus das Universum entsteht, im Bewusstsein, das als das je einzelne, an dem man gegen jede Einsicht festhält, in ein universelles immer schon übergegangen ist. Universalität aber ist nicht staffiert mit der Hybris eines absoluten Bewusstseins, das Welt und sich als Einheit eines fortschreitenden Wissens weiß.
Im Gegenteil schließt es sich von solch frag-würdig gewordenen Versprechungen aus, erweist sich in der lange vor der Zeitrechnung bereits begonnenen Wiederholung als das Immergleiche.
Im Schrecken vor solcher zum Bersten angefüllten Leere werden Geschichten erfunden. Doch künden die erfundenen Geschichten nicht von einem Anderen, nein, sind stets die gleichen. So trägt das Bewusstsein die Reduktion mit sich selber aus, indem es verzweifelt das immer schon Gewesene zum Individuellen erhebt, während das Universum vom Raunen stets ganz der gleichen Geschichten widerhallt.
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