Als ich im Jahr 2002 erste Versuche mit der sogenannten Computerkunst anstellte, konnte ich nicht ahnen, wohin die Reise geht. Nebenbei hatten auch die Computertechniker zu diesem Zeitpunkt zweifellos Visionen, aber wenig realisierbare Vorstellungen, wohin die Computertechnik und mit welcher Perspektive, vor allem Geschwindigkeit sie sich entwickeln sollte. Was heute Softwares zur Bearbeitung von Fotos digitaler Kameras, waren damals Bildbearbeitungs- und Malprogramme als Grundlage einer Revolution des Mediums Fotografie und der Technik digitaler Kameras. Bemerkenswerterweise vollzog sich binnen eineinhalb Jahrzehnten eine Entwicklung ähnlich der im 19. Jahrhundert von der Malerei hin zur Fotografie - wenn auch unter ziemlich anderen Voraussetzungen..
Der Computer ist das ideale Medium für all jene ungeduldigen Geister, die angesichts der Wiederholung des Alles-schon-einmal-dagewesenen in der Kunst ausrufen: Schön, wagen wir einen neuen Versuch, nun aber mit mehr Elan und Rasanz! Wohl wissend, dass sie ihr Versprechen ganz nicht werden einlösen können. Es wird etwas Neues sein, so überraschend neu und bekannt zugleich wie einst das photographische Porträt neben dem gemalten ein und desselben Menschen.
Die Herausforderung der digital art lautet nicht: Wie verändere ich Vorlagen aus der Wirklichkeit, sondern im Sinne des guten alten Stils: Wie schaffe ich neue Wirklichkeiten ohne Rückgriffe auf bekannte allzu bekannte Versatzstücke..
Welche ästhetischen Möglichkeiten, um nicht zu sagen Welten, im Computer verborgen liegen und es zu heben gilt, dazu braucht es eher den wissenschaftlich Inspirierten, als den Spontanen: Er allein wird in der Lage sein, Artefakte hervorzubringen durch seine Neigung zum Kalkül und seiner reflektierten Leidenschaft für die Kunst. Und Reflexion heißt, arbeiten an dem, was noch auf dem Weg ist zu werden.
Wodurch unterscheidet sich Computer Malerei von traditioneller Malerei auf Leinwand, an die wir spontan denken, sobald wir über Malerei sprechen? Nun, vor allem riecht es nicht nach Farben, Lösungsmittel, Terpentin, Harzen, nach Leim und Tinte. Und früher, zur Zeit vor Erfindung der Künstlerfarbe aus der Tube, was war das wohl für eine Mixtur verschiedenster Gerüche aus Kohle, Talg und Fett, Ölen, Mineralien, Kreiden, Erden, Tierhäuten, Exkrementen und Innereien, unter deren Zuhilfenahme findige Geister, die ausschließlich ihre Kunst im Sinn hatten, experimentierten?
Selbstverständlich fand auch Blut verschiedener Provenienz als Malmittel Verwendung. Alle diese sonderbaren, uns je nach Temperament mehr oder weniger anstößig, vielleicht sogar ekelerregend erscheinenden Ingredienzien, mischten sich im Verlauf eines geheimnisvollen Malprozesses zu Gemälden, vor denen Bettler und Könige und, geben wir es nur zu, auch wir nach Jahrhunderten noch auf den Knien liegen..
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